Mandana Rafiie
Nach der Trennung von meinem Mann begann ich im Sommer mit dem joggen. Ich war damals 40 Jahre alt und hatte mein Leben lang nie viel Gefallen am Ausdauersport. Hin und wieder mal ins Fitnessstudio das war drin, aber mehr nicht.
Es prallten damals Welten aufeinander, aber ich spürte wie gut es tat sich an frischen Luft zu bewegen. Die Belastung, plötzlich mit zwei kleinen Kindern, Haus und Hund allein dazustehen, konnte ich beim Laufen ausblenden. Ich war mit mir und meinen Gedanken allein, und das tat mir mehr als gut. Es gab mir Kraft und Zutrauen.
Ich beschäftigte mich auch theoretisch mit dem Laufen und wollte wissen wie ich es schaffe kann noch länger zu laufen als die 3-5 km. Sehr schnell kam ich auf das Thema Puls Uhr und Herzfrequenz.
Die Puls Uhr schenkte ich mir dann zu Weihnachten und an einem Januarmorgen bin ich das aller erste Mal in meinem Leben 10 km gelaufen. Ich habe für diese Strecke damals 1 Stunde und 50 Minuten gebraucht.
Aber ich war der glücklichste Mensch im ganzen Universum. Die Euphorie war so groß, dass ich mich noch am selben Abend für den Hamburg Marathon im April anmelden wollte. Meinem Schutzengel sein Dank, eine Anmeldung für diese Veranstaltung war nicht mehr möglich. Also musste eine andere Veranstaltung her, der Hamburger Halbmarathon. Dieser Lauf sollte im Juli stattfinden und ich begann mich mehr und mehr mit dem Thema zu beschäftigen. Trainingsmetoden, Trainingspläne und Ernährungsratgeber waren von da an meine Lieblingslektüre. Ich lief und lief und bekam dadurch die Kraft meinen gesamten Alltag zu meistern.
Dann kam der Tag meines ersten Wettkampfes. Die Aufregung vor dem Start war unbeschreiblich. Nach den ersten Kilometern war schnell klar, ich lauf hier als letzte. Ich hatte einen eisernen Willen entwickelt, und das Training sollte nicht vergeblich gewesen sein. Ich wollte die Ziellinie überqueren. Die Versuchung, sich umzudrehen war groß, aber wenn ich gesehen hätte, dass kein Läufer mehr hinter mir ist, hätte ich wahrscheinlich aufgegeben. Ein schreckliches Gefühl war es, über die abgesperrte Kreuzung an den Deichtorhallen zu laufen. Kein Zuschauer und kein Läufer weit und breit, nur ein Hubschrauber kreiste über den Straßen. Selbst die Verpflegungsstationen waren leer und verlassen, was die Situation noch schlimmer machte. Ich war kurz davor ein angebissenes Stück eines Apfels von der Straße zu sammeln und zu essen. Aber ich wollte noch immer über die Ziellinie. Ca. 1 km vor dem Ziel kamen andere Läufer in Sichtweite. Ich war wie berauscht und wollte unbedingt vor Ihnen im Ziel sein. Ich konnte den ersten überholen und dann noch einen und noch einen und so weiter. Auf dem letzten km hab ich 6 Läufer überholt. Ich habe für die 21,0975km 2:34 gebraucht und laut der Ergebnisliste kamen noch 6 Läufer nach mir ins Ziel.
Dies Lauferlebnis hat mich nicht abgehalten weiter zu machen, ganz im Gegenteil. Ich wollte einmal einen Marathon laufen und so blieb ich bei dem Sport. 10 Jahre später bin ich genau denselben Halbmarathon gelaufen. Mit 1:55 wurde ich 9te meiner Altersklasse und es sind noch 2963 Läufer nach mir ins Ziel gekommen.
Diese Zahlen belegen natürlich nicht nur meine Leistungssteigerung trotz des zunehmenden Alters, sondern auch die steigenden Teilnehmerzahlen und den Spaß, den Jedermann daran hat, nicht nur die schnellen Läufer.
Bei dieser Veranstaltung haben nach 3 Stunden noch glückliche Läufer die Ziellinie überquert.
Wie der Zufall es wollte, habe ich 2013 die Leitung eines Lauftreffs übernommen und wollte nun auch theoretisch tiefer in die Materie eintauchen. Ich machte im Oktober 2013 meine erste Trainerfortbildung. Es folgten C-Lizenz Breitensport, B-Lizenz Herz-Kreislauf, C-Lizenz Triathlon Leistungssport und Functional und Faszien Trainerscheine vom DTB. Meine Leidenschaft für den Ausdauersport war so groß, dass ich trotz allen Widrigkeiten versuchen wollte Sport zu studieren.
Leider musste ich dies Projekt nach einem Jahr aufgeben, da ich das Trainerdasein, eigene sportliche Ziele, Studium und Beruf nicht unter einen Hut bekommen habe.
Heute gebe ich Lauftraining von Marathonvorbereitung bis Tempotraining. Funktional Training und Faszien Workshops. Ich bin das 5te mal als Trainer bei der Laufreise dabei und es macht mich mehr als glücklich wenn ich erleben kann wie Teilnehmer ihre sportlichen Ziele, die unerreichbar schienen, erreicht haben.
Ich selber bereite mich gerade auf meinen 2ten Ironman vor und es ist wieder einmal unglaublich spannend.
Sich eine Herausforderung suchen, dafür zu arbeiten und sich ihr zu stellen, ist so eine unglaubliche Bereicherung. Dies Gefühl begleitet einen Menschen lange und prägt ihn. Im allerbesten Fall, hat man sein Ziel beim ersten Versuch erreicht und dann fühlt man sich unbesiegbar.
Ich wünsche jedem einmal dies Gefühl zu haben.